Entgleist! Wenn Kinder immer dicker werden
Gesundheitsforum Ehingen am 13. April 2016
13.04.2016
Dieses Thema rief beim gestrigen Gesundheitsforum drei Experten des Ehinger Gesundheitszentrums auf den Plan. Dr. med. Christine Terpeluk, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Nicole Knoll, Diät- und Diabetesassistentin und Jürgen Pichler, Diplom-Sportlehrer, nahmen aus ihrer Sicht Stellung zu einem Thema, das im wahrsten Sinn des Wortes offensichtlich ist – dicke Kinder.
Die Ursachen von Übergewicht sind ein Mix aus erblich/familiärer Disposition, ungünstiger Ernährung, aus zu viel Fett, minderwertigen Kohlenhydraten, einem Mangel an Ballaststoffen und fehlender Bewegung. „Viel zu viel Gewicht macht nicht nur unbeweglich, sondern auch unzufrieden. Dadurch verändert sich das Essverhalten und der Ess-Stil erneut – die Folge: noch mehr Gewicht“, verdeutlichte Dr. Terpeluk.
Die Steigerung von Übergewicht ist Adipositas, d.h. zu viel Körperfett im Vergleich zur Gesamtkörpermasse. Wenn die Gewichtsstörung schon im Kindesalter beginnt, das extreme Gewicht über Jahre hinweg bestehen bleibt, ist das ein großes Problem. Denn Adipositas kann fatale Folgen haben. Wirkverlust von Insulin und drohender Diabetes Mellitus, hohe Blutfettwerte, Bluthochdruck, Erkrankungen des Bewegungsapparates sind nur eine von vielen möglichen Erkrankungen infolge dauerhaften Übergewichts zu fürchten sind. Und nicht nur der Körper hat daran zu tragen. Durch Ausgrenzung und Diskriminierung entwickelt sich – gerade bei Kindern - oftmals schlechtes Selbstwertgefühl bis hin zur Depression und Persönlichkeitsstörung.
Dass ein Missverhältnis zwischen Energiezufuhr und –verbrauch besteht, kann Diätassistentin, Nicole Knoll, nur bestätigen. Nahrung ist heute ständig verfügbar – oftmals leider als Fastfood oder Fertigprodukt. Ein hoher Anteil an Weißmehl, viel Süßes – das sind Schwerpunkte in der Kinderernährung. Sogar spezielle Kinderlebensmittel gibt es – mit verlockender, bunter Verpackung besonders reizvoll für Kinder, meist teuer und reich an Fett, Zucker und Aromastoffen. Dabei stehen genau diese Dinge in der „gesunden“ Ernährungspyramide an oberster Stelle, d.h. sollten möglichst wenig konsumiert werden. Pflanzliche Lebensmittel sind die ideale Basis, ergänzt durch fettarme Milchprodukte, mageres Fleisch und Fisch. Ganz klar, dass Getränke, bei denen der Zucker an erster Stelle der Inhaltsstoffe steht, nicht zu einem gesunden Ernährungsprogramm passen.
Doch wie macht man Kindern gesunde Ernährung schmackhaft? Knoll empfiehlt drei Haupt- und zwei Zwischenmahlzeiten, bei Snacks auf Obst, Gemüse, belegtes Brot und Milchprodukte zurückgreifen. Gemeinsam essen, Vorbild sein, die Mahlzeiten liebevoll anrichten und wieder lernen, auf das Hunger- und Sättigungsgefühl zu hören. Ungewohntes ruhig immer wieder anbieten und ein absolutes „No-Go“: mit Süßigkeiten belohnen.
Ihr Kind hat Übergewicht? Jürgen Pichler appelliert an die Eltern – für ihn dürfen sie sich nicht aus der Verantwortung nehmen. „Eigentlich geht es meinem Kind doch gut“ ist für ihn keine Entschuldigung, wenn ein Fünfjähriger bereits 62 kg und ein 15 Monate altes Mädchen 26 kg auf die Waage bringt. Denn noch mag es den Kindern gut gehen, doch wie sieht die Zukunft aus, wie die gesundheitliche Prognose?
Kinder können die Folgen des Übergewichts nicht selbst abschätzen. Sie ahmen nach und orientieren sich an ihrem sozialen Umfeld. Eltern müssen Vorbild sein, wenn es um Aktivitäten geht – möglichst mit Spaß und Spiel. Es versteht sich von selbst, dass Lob und Anerkennung der Eltern Ansporn und Motivation bedeuten – auch bei kleinen Schritten hin zu mehr Bewegung und weniger Gewicht. „Wir müssen Kinder dafür begeistern, sich aus einem breiten Bewegungsangebot ihren Lieblingssport aussuchen zu dürfen, gemeinsam mit uns einzukaufen und die Mahlzeiten zuzubereiten“, meint Pichler, selbst zweifacher Familienvater.
Wenn wir es dann noch schaffen, die neuen Medien für eine Weile sich selbst zu überlassen und stattdessen körperlich aktiv zu sein, dann sind unsere Kinder gewichtsmäßig wieder auf dem richtigen Gleis.