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Bericht zum Gesundheitsforum Ehingen am 9. September 2015

Schmerz, Chronischer Schmerz, Schmerz-krankheit und Psyche

Jeder Mensch kennt Schmerzen und jeder empfindet sie unterschiedlich schlimm oder stark. Das führt zu der Überlegung, ob sie – wie lange angenommen – ausschließlich rein körperlicher Natur sind, oder darüber hinaus eine psychische Komponente haben. Die Schmerzforschung des 21. Jahrhunderts ist überzeugt – Schmerzen haben eine psychosoziale Dimension. So ist erklärbar, dass sich in vielen Fällen trotz intensiver Diagnostik keine körperliche Ursache ausmachen lässt, die in Verbindung zur geäußerten Schmerzstärke steht. Schmerz ist, was der Patient sagt und nicht, was auf dem Röntgenbild, oder im Laborbefund zu sehen ist.

Akute Schmerzen sind meist an einen erkennbaren Auslöser gebunden und haben eine sinnvolle Warn- und Schutzfunktion für unseren Körper. Das Behandlungsziel hier ist die Schmerzfreiheit.

Chronische Schmerzen bestehen definitionsgemäß länger als 6 Monate und haben ihre Warnfunktion verloren, ihre Auslöser sind vielschichtig, häufig auch nicht unbekannt. Das Behandlungsziel ist hier ein verbesserter Umgang mit Schmerz, seine Linderung und die Schmerz­bewältigung. Die Tatsache, dass ca. 7% unserer Bevölkerung an chronischen Schmerzen leiden und der Kostenaufwand dafür im Milliardenbereich liegt, fordert mehr Aufmerksamkeit und Behandlungs­notwendigkeit. Umso mehr, als aus Schmerz und Angst ein Ver­meidungsverhalten wächst, das letztendlich neuen Schmerz zur Folge hat – ein Teufelskreis.

Diese Lernprozesse aus Angst, Schmerz- und Vermeidungsverhalten – die durch eine Reihe von psychischen und psychosozialen Faktoren wie zum Beispiel Depressivität, belastende Lebensereignisse, fehlende Zufriedenheit in Partnerschaft oder Beruf, u. a. gefördert werden –  sowie ein „Schmerzgedächtnis“ tragen zur Aufrechterhaltung von chronischen Schmerzen bei.

Eine komplexe Krankheit erfordert eine vielschichtige Therapie. So ist neben einer klassischen Medikation vor allem auch eine psychotherapeutisch/psychosomatische Behandlung empfehlenswert. Der veränderte Umgang mit Vermeidungsverhalten und Ängsten, Entspannungstechniken, Verständnis und Zuwendung, die Optimierung eigener Schmerzbewältigungsfertigkeiten und Selbstwirksamkeits­erleben sind Teil dieser umfassenden psychologischen Schmerz­therapie.

Ein bisschen Geduld und Frustrationstoleranz braucht der Patient, um die erlernten Muster aufzuweichen, aber dabei ist bereits der Weg das Ziel.