News

Pflegegrade statt Pflegestufen – Was genau ändert sich für mich?

Bericht vom Gesundheitsforum am 11. April 2018

Nicole Deubert, Leitung der Ambulanter Pflegeservice GmbH stellte zunächst die drei Pflegestärkungsgesetze der vergangenen Jahre vor. Während das zum Jahresanfang 2015 in Kraft getretene 1. Pflegestärkungsgesetz im ambulanten Bereich vor allem höhere Entlastungsbeträge und Mittel für Umbaumaßnahmen vorsah, kam die fundamentale Veränderung mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz am 1. Januar 2017. Seit diesem Zeitpunkt gilt ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff, der den Grad der Selbstständigkeit in den Fokus stellt.
 
Pflegebedürftig ist im Sinne des Sozialgesetzbuch XI eine Person, deren Selbstständigkeit beeinträchtigt ist und die daher auf Hilfe Dritter angewiesen ist, die körperliche, kognitive und oder psychische Beeinträchtigungen aufweist und die gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren kann. Zudem muss die Pflegebedürftigkeit auf Dauer angelegt sein und voraussichtlich mindestens sechs Monate bestehen. Neu ist bei dieser Definition, dass auch kognitive und psychische Beeinträchtigungen berücksichtigt werden – dadurch wurden viele demenzkranke Patienten erstmals in die Lage versetzt, Leistungen der Pflegeversicherung erhalten zu können.
 
Die Einstufung in einen der fünf Pflegegrade erfolgt über 6 Module: Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung / selbstständiger Umgang mit krankheits-/ therapiebedingten Anforderungen sowie Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte. 
 
Möchte man erstmal einen Pflegegrad oder einen höheren Pflegegrad beantragen, so muss man bei der Pflegekasse des Pflegebedürftigen einen schriftlichen Antrag stellen. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen vereinbart daraufhin einen Termin zur Begutachtung. Deubert riet ihren Zuhörern, diesen gut vorzubereiten. „Notieren Sie Situationen, in denen die Person, die Sie pflegen, auf Hilfe angewiesen ist. Dabei geht es nicht mehr wie früher um die Minuten, die für die tägliche Pflege benötigt werden, sondern um den Grad der Selbstständigkeit. Eine typische Frage könnte z.B. sein, bei welchen alltäglichen Tätigkeiten eine Anleitung benötigt wird oder was teilweise oder auch vollständig übernommen werden muss. Hilfreich ist auch, über einen Zeitraum von 2-3 Wochen ein Pflegetagebuch zu führen, um so den Alltag nachvollziehbar zu dokumentieren. Denn nicht selten strengen sich die Patienten im Beisein des Gutachters besonders an.“
 
Deubert ging auch auf die Unterschiede bei den Leistungen je nach Pflegegrad ein. Während erst ab Pflegegrad 2 ein Pflegegeld oder Pflegesachleistungen bezahlt werden, können auch bei Pflegegrad 1 bereits der Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro im Monat und ein einmaliger Zuschuss zu Umbaumaßnahmen genutzt werden. Hier machte Deubert aber deutlich, dass eine solche Umbaumaßnahme unbedingt genehmigt sein muss, bevor sie begonnen wird. In den Pflegegraden 2 bis 5 können die pflegenden Angehörigen dann entweder Pflegegeld in Anspruch nehmen, wenn sie die häusliche Pflege selbst durchführen oder aus dem Budget der Pflegesachleistungen einen Pflegedienst mit der Durchführung von Leistungen beauftragen. 
 
Was viele nicht wissen: Auch eine Kombination dieser beiden Leistungsarten ist möglich: So können, wenn nicht alle zur Verfügung stehenden Sachleistungen genutzt werden, noch Teilsummen des Pflegegeldes ausbezahlt werden. Zudem sorgen die Leistungen für Verhinderungspflege (z.B. während einer Krankheit oder einer kurzzeitigen wöchentlichen Verpflichtung der Pflegeperson) oder der Kurzzeitpflege (z.B. während eines Urlaubs oder Krankenhausaufenthalts der Pflegeperson) sowie Leistungen für die Tages- und Nachtpflege für eine Entlastung der pflegenden Angehörigen. Im richtigen Mix aller Leistungen kann so ein individuelles Paket geschnürt werden, dass die Pflege zuhause ermöglicht, der Pflegeperson aber noch Luft zum Atmen lässt. 
 
Da ab dem Pflegegrad 2 beim Bezug von Pflegegeld ohnehin regelmäßige Pflegebesuche durch die Krankenkasse oder einen Pflegedienst verpflichtend sind, riet Deubert, diese auch zu nutzen, um nach Erleichterungen und Entlastungsmöglichkeiten zu suchen. Denn die Besuche dienten dazu, die Qualität der häuslichen Pflege zu sichern und Möglichkeiten der Verbesserung der Situation in dieser aufzuzeigen. Die Kosten hierfür würden von den Pflegekassen übernommen. 
 
Anhand von mehreren Abrechnungsbeispielen zeigte Deubert, dass der Eigenanteil in der häuslichen Pflege in der Regel deutlich unter dem in einer stationären Pflegeeinrichtung liegt und dass sich entlastende Angebote wie die Tagespflege an einzelnen Wochentagen durch die Kombination von verschiedenen Leistungen ganz ohne Extrakosten für die pflegenden Angehörigen realisieren lassen. 
 
Im Anschluss an den Vortrag stellten viele der Zuhörer noch Fragen zu ihrer persönlichen Situation. Dabei wurde deutlich, dass der emotionale Druck durch die Pflege eines nahen Angehörigen sehr hoch werden kann und dass die aufopferungsvolle Pflege viel Kraft kostet.