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Bericht über Gesundheitsforum Blaubeuren am 17. Dezember 2014

Mein Wunsch?! Ungehemmt sprechen! Stottern und Redeflussstörungen bei Kindern,

Ein spannendes Thema, dem sich im Gesundheitszentrum Blaubeuren tätige Logopäde Dr. Karl-Heinz Stier beim Gesundheitsforum Blaubeuren am Mittwoch annahm.
 
Warum stottern Menschen
Eine eindeutige Erklärung und Ursache für Stottern gibt es genauso wenig wie eine vollständige Heilung. Es gibt nicht die eine Ursache und nicht das bestimmte Stottern. Man nimmt an, dass Stottern auf eine Störung in der neuronalen Verarbeitung zurückzuführen ist. Auch eine genetische Veranlagung kann ursächlich benannt werden. Stottern wird nicht direkt vererbt, sondern es wird nur die Veranlagung dazu weitergegeben. Nicht zu vergessen sind seltene posttraumatische Erlebnisse (z.B. Missbrauch), oder auch eine Verstärkung des Stotterns als Folge von Angst. Die Ursache des Stotterns ist keine psychische Störung, ist unabhängig vom Bildungsgrad, familiären Umfeld und von sozialer und kultureller Herkunft.
 
Die ersten Lebensjahre
Aufmerksam verfolgen viele Eltern die Sprachentwicklung ihrer Kinder: die ersten Worte, das Aneinanderreihen - toll. Und plötzlich: das Kind gerät beim Reden ins Stocken, muss Worte manchmal ansetzen - es stottert! Der erfahrene Logopäde rät betroffenen Müttern und Vätern zur Besonnenheit. Denn nicht immer handelt es sich tatsächlich um eine Redeflussstörung. Kinder durchleben in der Sprachentwicklung häufig eine Phase, in der die Sprechfertigkeit stockt, was aber noch kein Stottern bedeutet. Dieses Symptom nennt man „Entwicklungsstottern“. Es tritt bei etwa 80% der Kinder in der Sprechlernphase zwischen zwei und vier Jahren auf.
 
Eine genaue Diagnose ist wichtig
Als Faustregel gilt: besteht die Sprechunflüssigkeit länger als ein halbes Jahr oder verstärkt sie sich in diesem Zeitraum, sollte der Rat eines Fachmanns hinzugezogen werden. In der Regel ist die erste Anlaufstelle der Kinderarzt. Dieser wird dann bei Bedarf an einen Facharzt weitervermitteln oder das Aufsuchen eines Logopäden bzw. Sprachtherapeuten empfehlen. Denn ob es sich letztendlich tatsächlich um „echtes“ Stottern handelt, können nur spezialisierte Ärzte und Therapeuten feststellen. Auch betroffene Erwachsene profitieren von einer Sprechtherapie und sollten daher ein erstes Gespräch mit dem Hausarzt oder direkt mit einem Therapeuten nicht scheuen.
 
Stottern äußert sich auf unterschiedlichste Weise: Wort- oder Silbenwiederholungen (A-A-A-Auto), Pressen bzw. Blockieren von Anfangsbuchstaben (W----eihnachten) oder das Dehnen einzelner Laute (meeeeeine Jaaaacke). Ein Stotterer weiß eigentlich genau was er sagen möchte, kann das Wort aber in diesem Augenblick nicht aussprechen.

Am Therapiebeginn steht das persönliche Gespräch. Bei Kindern werden auch die Eltern miteingebunden. Symptome und die mit dem Stottern verbundenen Verhaltensweisen werden festgestellt und analysiert, ein individueller Therapieplan wird festgelegt. Therapie­stunden sind unterschiedlich aufgebaut. Eine reine Konzentration auf das Sprechen beispielsweise bezweckt in erster Linie, Ängste abzubauen und die Lust am Sprechen zu fördern. Sprach- und Bewegungsspiele, Entspannungs- und Dialogübungen unterstützen dabei - vor allem bei Kindern - Sprechfreude wieder zu gewinnen. Weil sich der Therapeut hierbei nicht direkt ums Stottern kümmert, spricht man vom „indirekten Therapieansatz“.

Anders beim „direkten Ansatz“: hier geht man das Sprechproblem aktiv an. Der Betroffene lernt, sein Stottern zu kontrollieren, sich bei auftretenden Blockaden zu entspannen und vor allem Gesprächs­situationen ruhig zu bewältigen. Der offene Umgang mit dem Sprechproblem wird gefördert und das Selbstbewusstsein gestärkt. Begleitsymptome und Vermeidungsverhalten werden in der Therapie reduziert. Das Therapieziel ist nicht ein absolut flüssiges Sprechen, sondern eher ein flüssigeres Stottern oder flüssigeres Sprechen.
 
Verhalten gegenüber einem Stotterer
Jeder kennt das Phänomen: Singen klappt bei allen Betroffenen vollkommen stotterfrei, auch in unbeobachteten Momenten fließt die Sprache meist. Beim Singen wird der Klang nicht unterbrochen und andere Hirnregionen sind aktiv. Stotternde Menschen haben Angst vor den Reaktionen ihrer Umwelt, schämen sich, sind wütend auf sich und reagieren mit körperlicher Anspannung - ergo das Sprechproblem tritt stärker auf. Das Sprechen mit einem Stotterer soll so normal wie mit jedem anderen Gesprächspartner sein: den Gesprächspartner ernst nehmen, zuhören, aussprechen lassen, keine Wörter wegnehmen oder korrigieren und Blickkontakt halten. Das stärkt das Selbstvertrauen der stotternden Person und nimmt die Nervosität oder Angst. Oberstes Gebot: Lustig machen über einen Stotterer ist absolut out!